Montag, 23. Juli 2007

Ausgehen, Museumsbesuche und Äthiopiens größte Kathedrale

Freitag, 20. Juli 2007
Unser Institutsleiter reiste nach Johannesburg ab und weil ich mich nicht so gut fühlte, überdies ohnehin nichts zu machen war, fragte ich, ob ich gehen könne, was mir auch gleich bewilligt wurde. Eigentlich wollte ich auf dem schnellsten Weg ein bisschen zu Essen kaufen und dann heim, ins Bett und schlafen. Aber der Tag gestaltete sich anders:
Elias fragte, ob wir auf einen Kaffe gehen (na gut, ein Kaffee) dann trafen wir Elisa, die Norwegerin, die heute aus ihrem Zimmer ins Hotel umzog. So fuhren wir mit ihr und halfen ihr beim Auszug. Anschließend ging ich mit Elias ins Lime Tree House in Bole zum Mittagessen. Ich aß eine Portion Spinatravioli mit Tomatensauce – also leichte Kost und tatsächlich ging es mir schon bald besser. Also verabredete ich mit Elias, am Abend zusammen mit amerikanischen Freunden von ihm wegzugehen.
Also erledigte ich meine Einkäufe, fuhr heim, relaxte ein wenig und aß nochmal, bevor ich um aufbrach, um Elias um 19:00 Uhr am AratKilo zu treffen. Wir fuhren nach Bole, in ein sehr schickes Lokal und als wir draußen saßen erinnerte mich das Ambiente mit der Straße und ihren Beleuchtungen fast an Italien. Kurz darauf gesellte sich der erste Amerikaner zu uns, ein Lehrer, der seit einem halben Jahr in Addis an einer der Schulen Englisch unterrichtet. Wenig später trafen auch die beiden Amerikanerinnen ein, deren Aufenthaltsgrund ein Praktikum bei den UN ist. Tatsächlich war viel los auf den Straßen und es boten sich viele Möglichkeiten zum Ausgehen und gemütlichem Verweilen in richtig schönen Lokalen.
Als die anderen schließlich in einen Jazzclub weiterzogen, verabschiedeten der Amerikaner und ich uns und fuhren heim. Er, weil er keine Lust auf den Jazzclub hatte und ich, weil ich meinen Vermietern gesagt hatte, ich werde nicht zu spät zurückkommen.


Samstag, 21. Juli 2007
Weil ich die Woche in der Arbeit ja leider nicht gerade viel zu tun gewesen war, hatte ich ein schlechtes Gewissen bekommen, die vom Praktikumsstipendium zur Verfügung gestellten Gelder „nicht ordnungsgemäß zu verwenden“, also nahm ich meine Weiterbildung selbst in die Hand und suchte (als Kulturwissenschaftsstudentin ist das ja eigentlich sowieso Pflicht) die beiden „wichtigsten“ Museen auf: das Ethnological Museum am Universitätscampus und das National Museum. Wie oft bei Museen war ich auch diesmal ein bisschen skeptisch, was mich erwarten würde, aber da ich dem Reiseführer die geringen Eintrittspreise entnahm ließ ich mich darauf ein und behielt im Hinterkopf einfach, schnell wieder abzuhaun, sollte es mir nicht gefallen.
Zuerst also das Ethnological Museum: Nach Betreten des Campus findet man sich in einer Parkanlage mit Palmen, tropischen Gewächsen und Blumen, Rosen, Gehwege mit Steinplatten, die an einem Springbrunnen vorbeiführen und dahinter, auf den ersten Blick durch den üppigen Bewuchs fast nicht sichtbar, der ehemalige Palast Haile Selassies, in dessen erstem Stock sich das Ethnological Museum befindet. Dem ästhetischen Anspruch des Auges wird hier vollauf Genüge getan! Ein wunderschön dekorierter Museumsraum! Ich betrete den ersten Abschnitt des Museums, in dem die Kindheit behandelt wird. Zu meinem Entzücken finden sich dort neben Holzspielsachen und Tonfiguren (die zwar unseren Assiziationen mit Afrika entsprechen, ich aber noch nicht bei Kindern in Verwendung gesehen habe – vielleicht eher auf dem Land?) auch die witzigen Spielgeräte, die meist aus Draht gefertigt irgendwie den Sinn haben, Reifen durch die Gegend zu rollen (so ganz hab ich das noch nicht durchblickt), oder Bälle – aus Stoff oder Verpackungssackerl gefertigt. Dazu Fabelbeispiele aus 4 verschiedenen äthiopischen Regionen. Das Erwachsenenalter: Ausstellungsstücke und Informationstafeln zu Heirat, Schwerter & Säbel, Erwachsenen-Spiele (Duell-Kämpfe mit Stecken), (Prunk-)Gewänder, Weberei (Weberei gilt hier als Männer-, Spinnen als Frauensache), Imkerei, Kaffe (der in vielen Wäldern angeblich nach wie vor wild wächst),... Und als dritter Abschnitt „Tod und Danach“. Besondere Faszination übten auf mich dabei die Holzskulpturen von Konso aus. Die haben folgenden Aufbau: In der Mitte steht der Held, der gestorben ist. Seine Frau (oder Frauen) dann neben ihm links und rechts und wieder daneben Statuen, die die Feinde repräsentieren, die der Held getötet hat. Dazu noch, wenn unser Held ein großer Jäger war, Tiere vor, sowie, um das Bild schön abzurunden, Speere und Schilder neben und hinter der Menschengruppe. Manchmal lassen sich auch noch kleine Steine vor dieser niedlichen Versammlung finden, die den Landbesitz des Verstorbenen bezeichnen sollen.
Von diesem Besuch sehr positiv gestimmt nahm ich mir gleich anschließend noch das National Museum vor, in dem die Nachbildung von Lucy („Australopithecus Afarensis“) zu bewundern ist, die 1974 in Afar gefunden wurde und deren zu 40 % erhaltenes Skelett auf ein Alter von 3,2 Mio Jahren datiert wird. Im ersten Stock, der mit zeitgenössischer Kunst des 20. Jahrhunderts bestückt ist, stelle ich verwundert fest, dass hier Fotografieren erlaubt ist (ohne Blitz) und im Erdgeschoss, wo neben prachtvollen Gewändern auch Kaiserkronen und –möbel ausgestellt sind, fordert mich einer der Museumswärter - der mir freundlicherweise gleich noch eine Privatführung gibt – geradezu auf, Bilder zu machen. Eine solche Großzügigkeit – gerade in einem Nationalmuseum – hätte ich mir nicht erwartet!
Zusammenfassend: Mit dem heutigen Tag, den Museumsbesuchen und meiner Eigeninitiative zur kulturellen Weiterbildung, bin ich vollauf zufrieden!

Sonntag, 22. Juli 2007
Am Vormittag brach ich mit meiner Vermieterin nach Bole auf, um dort einen Kaffee zu trinken. Wir gehen durch die Wohngegend der Reichen und Dioplomaten – oohh...da stehen kleine Paläste! Nett, nett! Ein Mann kommt uns entgegen, schreit etwas, was ich nicht so ganz verstehe und will mir was aus seinem Karton andrehen. Ich verstehe sein „Puppy, puppy!“ erst, als ich in den Karton sehe, in dem 2 ganz kleine, zuckersüße Hundewelpen sitzen! Ooohhhh, nein...mein wunder Punkt! „JA, GERNE, SOFORT!!!“, hätte ich am liebsten gerufen und gleich beide mitgenommen. Aber ich muss ja wieder zurück nach Österreich...
Wir kehrten in ein Kaffeehaus ein, das stark an Starbucks erinnerte. Vorallem auch toll ist, dass man in all diesen Kaffeehäusern auch Essen bestellen kann – in einer großen Auswahl! Es ist warm, Sonne scheint. Die Äthiopier frieren. Weil eine leichte, angenehme Brise weht. Ich bestellte eine heiße Schokolade, die mir dann mit echtem Kakao serviert wurde. Überall um uns herum Leute, die Zeitung lasen. Meine Vermieterin erklärte mir: Die Oppositionsleute, die eigentlich auf ihre Verurteilung gewartet hatten, waren gestern freigesprochen worden – und ganz Äthiopien ist ganz aus dem Häuschen! DAS Gesprächsthema, jeder redet davon, alle sind glücklich, gefeiert (und getrunken) wird tagelang. „Die Zeitungen“, so erklärt sie mir „die nun wieder verkauft werden, waren bei ihrer Verhaftung eingestellt worden. Nun, da die Leute freigelassen worden sind, sind auch diese Zeitungen wieder verfügbar! Es ist ein guter Schritt der Regierung, aber wer weiß, wie es weitergehen wird? Sie hätten die Leute vermutlich nie ohne den Druck der EU wieder freigelassen...“ Anscheinend kamen von europäischer Seite von einer Ministerin wiederholt Forderungen der Freilassung der politischen Gefangenen. Wir gingen ein Stück weiter, kamen an einem Radrennen vorbei, in ein anderes Kaffeehaus, das besonders gute French Fries offeriert. Tatsächlich! Vor allem wundert es mich, dass sie nicht fettig sind! Vom Kaffee aus sieht man direkt auf die Bole Medhane Alem Cathedral, Äthiopiens größtes Kirchengebäude, das erst 2005 fertiggestellt wurde. Ein wunderschönes, strahlendes, helles Gebäude, dem zusammen mit seiner umgebenden Rasenfläche großzügig angelegt ist und das ich wohl auch eher dem arabischen Raum zugeordnet hätte, wären da nicht die eindeutig christlichen Zeichen gewesen. Vom Parkplatz daneben ertönen Trommelschläge und Gesang zu uns herüber. „Oh schau! Schau!“, sagt meine Vermieterin „Eine typisch äthiopische Hochzeit! Sie läuft streng nach Zerimoniell ab.“ Zuerst hatte ich gedacht, da sind gleich 2 Priester bestellt, bis ich bemerke, dass es sich um das Brautpaar handelt: Beide in lange, weiße Gewänder gehüllt, einen weißen Mantel mit dezenter Goldbestickung umgehängt und beide eine Art weiße Krone mit silberner Verzierung und Kreuz auf den Köpfen. Umgeben sind sie von Sängern, die Hälfte von ihnen dunkelrote, weißgeschärpte Kleider, die andere Hälfte türkise, weißgeschärpte Kleider tragend, einer geht vor dem Brautpaar her und schlägt die Trommel, die Sänger gehen links und rechts, schön geordnet in einer Reihe nebenher, dahinter folgt der Rest der Festgesellschaft. Alle singen und Klatschen. Äthiopien zeigt seine Farben: Die weiße Kathedrale mit den Goldverzierungen und dem türkisen Kupferdach, von der Sonne bestrahlt, die Farbenpracht der Hochzeitsgesellschaft und dazu im Hintergrund, immer dunkler werdend vom herannahenden Gewitter. Wir machen uns auf den Heimweg, um nicht nass zu werden. Und siehe da, ich bekomme noch etwas Außergewöhnliches zu sehen: Hastende, ja sogar laufende Äthiopier. Das anziehende Gewitter bringt Leben in sie, alles wuselt herum, versucht heimzukommen, einen Bus, Minibus, oder Taxi zu erwischen. Die Minibusfahrer stellen sich auf die erhöhte Nachfrage ein: Schon sitzen wir – 21 Leute (!!! Ich hab’s gezählt!!!) anstelle der sonst üblichen 12 – zusammengequetscht in einem dieser tollen Toyotagefährte, das sich bergan nach Aware abmüht. „Wie soll denn da noch wer aussteigen können?“ frage ich mich, als ich sehe, dass einer offensichtlich den Versuch unternimmt, nach einer kurzen Diskussion mit anderen Mitfahrern aber sitzen bleibt. Meine Vermieterin lacht und ich bekomme die Erklärung: Ja, er wollte aussteigen, sagte, er müsse hier raus, aber die anderen meinten, nein, nein,...wir sind noch nicht da...das, wo du hinwillst, kommt erst! Also blieb er brav sitzen und fuhr noch ein Stück weiter –wie noch zwei andere, die ebenfalls hinausgewollt hatten. Das ist halt alles nicht so genau hier.

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