Montag, 27. August 2007

Unser Trip in den Süden: Rastafaris, Urwald und eine gestohlene Kamera

Hmmm....also, das wird ein Mega-Eintrag, aber es gibt ja auch einiges zu berichten!!!

Donnerstag
Um vier Uhr standen wir auf, wie gestern ausgemacht. Es regnete wieder in Strömen und Tilman war davon nicht gerade begeistert und wollte schon wieder ins Bett und weiterschlafen. Es wurde dann aber doch rasch besser und gegen 5 verließen wir das Haus, nachdem ich noch eine Notiz für die Familie geschrieben hatte, wo wir waren.
Bei der Minibushaltestelle war natürlich kein Taxi verfügbar, es standen aber ein paar Leute bei den kleinen Shops und wir stellten uns einfach mal hin und warteten. Es kam einer der großen orangen Stadtbusse und wir stiegen einfach mal mit ein, auch wenn wir keine Ahnung hatten, wohin der eigentlich fuhr. Die Leute fragten uns dann, wohin wir wollten. „La Gare“. Irgendwann zeigten sie uns, wo wir aussteigen und ein Taxi nehmen sollten. Der Bus war gar kein regulärer Bus im Linienverkehr, sondern zu dieser Zeit eher dazu gedacht, die Arbeiter zur Arbeit zu fahren. Wir mussten auch kein Fahrgeld zahlen...
Tatsächlich bekamen wir gleich ein Taxi, das uns zu La Gare brachte, wo wir auch sofort einen Minibus nach Shashemene erwischten, von wo aus wir nach Awasa weiterwollten. Kurz nachdem der Minibus losgefahren war, hatte ich im Dunkel auch schon die Orientierung verloren und da auch keine Landschaft zum Ansehen war, döste ich erst mal vor mich hin. Irgendwann hielten wir in irgendeinem Ort – Endstation. Der Attendant bedeutete uns, ihm zu folgen und brachte uns zu einem Privatauto, mit dem es dann weiterging. Draußen war es inzwischen hell geworden und die großartige Landschaft erkennbar: Die Bäume mit der flachen Krone, überall in der weiten Ebene verstreut. Die Besiedelung konzentrierte sich an der Straße: einstöckige Lehmhütten und Lehmhäuser. Die Lehmhütten im Rundbau mit Strohdach, die Lehmhäuser eckig mit Wellblechdach. Typischerweise sah das ganze folgendermaßen aus: ein Grundstück (ca. 70 x 50 m), begrenzt durch eine Buschreihe (oder Baumreihe oder Kakteenreihe oder eine beliebige Mischform) und auf diesem Grundstück 2-3 Hütten. An eine der Hütten angebaut eine aus Astwerk bestehende Umzäunung für das Vieh: Esel, Ziegen, Schafe und Kühe. Und natürlich überall auch Hunde. Nur wenige der Häuser an die Stromversorgung angeschlossen. Und tatsächlich wird es hier ganz klar, dass es in diesem Land viel mehr Kinder als Erwachsene gibt, denn zumeist sieht man eine/n Äthiopier/in und daneben ca. 4 Kinder (hohe Geburtenrate, geringe Lebenserwartung).
Ach ja: a propos Hunde...Da laufen ja die ganze Zeit die Viecher über die Straße (oder bleiben mitten drauf stehen). Meistens Schafe und Esel. Doch wir erwischen einen Hund. Der eigentlich brav am Straßenrand stand und dann doch meinte, sich zum Auto drehen zu müssen. Ich hatte gerade wieder geschlafen, als ich den Knall hörte und als ich mich umdrehte und aus dem Rückfenster sah, bekam ich gerade noch mit, wie der Hund umfiel.
Endlich in Shashemene... Stadt... na ja... man muss halt den Stadtbegriff neu definieren. Nur niedrige Häuser (kaum eines, das mehr als nur Erdgeschoss besitzt). Vornehmlich auch hier Lehmhütten. Wir befinden uns hier im „Jamaica-Viertel“ – also bei den Rastafaris und gehen erst mal einen Kaffee trinken. Dann statten einem kleinen Museum einen Besuch ab und werden von einem Typen mit zusammengebundenen Händen um Geld angeschnorrt. Man erklärt uns den Grund für seine zusammengebundenen Hände: der raubte nämlich regelmäßig Touristen aus und wanderte ins Gefängnis. Die Hände haben ihm dann seine Familie zusammengebunden. Unsere nächste Station war ein Compound, der ganz groß die äthiop. Flagge aufs Tor gemalt hatte und auf dem gerade Bauarbeiten im Gange waren. Wir dürfen uns gerne umschaun und bekamen einen 18-jährigen Rastafari als Führer zugewiesen. Schöne Obstbäume im Garten: Mango, Granatapfel, Avocado,...
Und ich bekam so langsam fast die Krise, weil das, was als Beschreibung im Reiseführer steht, noch ziemlich harmlos ist im Vergleich zu dem, was hier tatsächlich abgeht. „I love Haile Selassie... Haile Selassie is the light... he is of the same spirit as Jesus…Rasta love everywhere…”. Meine gesamte Zeit beim Militär hat mich psychisch nicht so fertig gemacht wie diese paar Stunden in Shashemene. Absolut irre! Diese Subkultur und ihre Kombination von Religiosität und Emperor-Verehrung ist zwar kulturwissenschaftlich sicher interessant, aber nicht unbedingt etwas, mit dem ich mich identifizieren könnte, auch wenn die Leute so ja echt nett waren. Wir nahmen auch unser Mittagessen dort ein: Maccaroni mit Getreidelaibchen und Tee, zu dem Tilman sagte: „Hmm, der schmeckt auch voll gut – da muss wieder was Spezielles drin sein.“ „Ja, das ist der Chlorgeschmack... Das schmeckt auch so, wenn ich mir den Tee mit unserem Leitungswasser mache“.
Nach dem Essen rauchten sie sich ein, während ich anfing, mein Tagebuch zu schreiben (à meine große Hilfe um alles verarbeiten zu können) so gut es ging und ich nicht durch pseudo-philosophische Gespräche bzw dem anschließenden Bibellesen abgelenkt wurde, wo das „Amen“ durch „Tscha, Ras Tafari!“ ersetzt wird. Kann mir vorstellen, dass das hier für ein paar Leute das Paradies wäre...
Schließlich Umentscheidung: Nicht Awasa, sondern Wondo Genet mit Daviah (dem 18-jährigen Rastafari) als Wegbegleiter. Wir wurden mit einem stylishen Auto zum Busbahnhof gebracht und hatten so noch Gelegenheit, auf der rumpeligen Fahrt die Stadt zu sehen. Ja, wäre ich hier gelandet (und nicht in Addis), dann wär das ein gescheiter Kulturschock gewesen! Abgesehen von ein paar Autos Pferdewagen (Einspänner) zur Fortbewegung, zum Tranport Eselwagen (auch wenn es nicht wirklich Wagen sind. Da gibt’s eine Deichsel und eine Fläche aus Holz oder Blech auf dem dann Menschen oder Güter Platz gefunden haben.
Busbahnhof – Bus – Warten, bis er voll ist. Wechseln, weil er gar nicht fahren kann, weil er kaputt ist. Der Busfahrer präsentiert uns seine Hitparade, die ich Mittels meines MP3-Players verschmähe. Der Mann neben mir kaut Chat, dessen bitteren Geschmack er mit Zucker ausgleicht, den er in einem kleinen Plastikbeutelchen in seiner Hemdtasche aufbewahrt.
Endlich da und gleich in den nächsten Minibus, der allerdings ein Mini-Minibus war und zu den heißen Quellen hinaufrumpelte, mit einer Geschwindigkeit und Gehopse, das mich an die Steyr-Truppentransporter erinnerte und viel Anstrengung, nicht von der schmalen Bank zu fallen, forderte. Bei den heißen Quellen wollte man uns zuerst nicht auf den Berg gehen lassen, sondern ins Bad schicken, aber wir bestanden darauf, durften 40 Birr zahlen und dann dem Führer folgen. Gleich nach 30 m war ein Bach zu durchqueren. Auf ein paar Steinen. Natürlich stand ich genau in der Mitte dann im Wasser. Es war nicht recht weit und Gott sei Dank auch nicht wirklich anstrengend zu gehen und so kamen wir schon bald zum mit Kuhfladen durchzogenen Urwald, der Weg immer wieder mit heißen Quellen (die sind wirklich heiß) gesäumt. In denen wird nicht nur Wäsche gewaschen, sondern auch Essen gekocht. Die oberste der Quellen barg eine Überraschung: Ein kranker Mensch, den sie mit warmem Schotter aus der Quelle zugeschüttet hatten und der nur durch die Bewegung seines Kopfes, über dem aber auch noch so was wie ein Jutesack lag, erkennbar war. Dann kamen auch noch weitere Männer aus dem Busch (die Bezeichnung ist hier wirklich zutreffend!) und als hätte ich heute nicht schon genug Eindrücke erlebt, hatten die auch noch allen Ernstes Speere mit Metallspitzen dabei (so richtig wie im Film). Eine weitere Quelle mit Badenden. Ob wir denn nicht auch Lust hätten? Ääh, nein, danke... Wir haben ja nix zum Abtrocknen dabei. Am Rückweg bekamen wir dann diese Gelada Baboon-Affen zu Gesicht, die auf den Bäumen herumturnten, was wirklich eindrucksvoll war!
Zu Fuß zurück zur Siedlung und Daviah schlug vor, beim Haus eines Freundes vorbeizuschaun, da können wir eventuell auch übernachten. Das Haus war auch aus Lehm gebaut, mit Wellblechdach, und davor noch eine Rundhütte. Außerdem war es angemalt – außen sowie innen, weil der Eigner Künstler war (und sich zur Zeit in Addis aufhält). Im Inneren 3 gemauerte Schlafstellen und ums Eck Küche & Atelier in Einem. Es gab Lemongrasstee und Brot und die Burschen rauchten wieder. Wir sahen uns die Bilder an und kauften dann jeder eines (bzw. beide das Gleiche – einen Druck mit Eseltreiber im Wald als Motiv). Und können hoffen, dass das Geld jetzt noch zurück nach Addis bzw zur nächsten Bank reicht, um dort wechseln zu können, was auch nicht so sicher ist, weil wir ja nicht unseren Pass zum Ausweisen mitgeschleppt haben. Ich hätte mir so gerne die nassen Schuhe ausgezogen, aber dann wäre das Reinschlüpfen noch umso schlimmer gewesen (weil dann zusätzlich auch noch kalt), also ließ ich sie an und berief mich erneut auf meine soldatische Vergangenheit, die auf dieser Reise wirklich manchmal ein Vorteil ist! Langsam machte sich Müdigkeit bemerkbar. Ich ging mit Tilman noch mal vor die Türe, weil er draußen noch mal Rauchen wollte. Inspiriert von der Erläuterung, die wir gerade bekommen hatten, die Augen der Hyänen leuchten im Dunklen, interpretierte ich gleich zwei gelbe Lichter als solche und fragte Tilman, ob „das da hinten“ eine Hyäne sei. Wir gingen näher zum Haus. Ich gab dann gleich noch mal (Fehl-)Alarm, weil ich wieder irgendwas Dunkles da stehen sah, das auch er ausmachen konnte und dann meinte, wir sollen doch lieber besser wieder ins Haus gehen. Und drinnen machten wir dann noch die beiden anderen Äthiopier mit dem Hyänen-Gerücht unruhig. Nach dieser Panikmache endlich schlafen.

Freitag
Wir standen wieder recht früh auf. Daviah und Tilman gingen zu den heißen Quellen, ich blieb lieber im Haus, um Tagebuch zu schreiben und mal ein bisschen alleine zu sein und zu entspannen. Im Garten rupfte ich ein paar Blümchen und steckte sie zum Pressen in meinen armen Reiseführer, der davon jetzt sicher voll versaut wird. Schnappte mir die kopierten Seiten aus dem Reiseführer aus dem Goethe Institut, die Tilman mitgenommen hatte und die teilweise sehr böse, zynische aber witzige und zutreffende Beschreibungen und Kommentare beinhalten. Zum Frühstück Samosa (Linsentaschen), Mais und Bohnen und Kaffe mit Ingwer. Lauter Sachen, die ich so zubereitet nicht kannte, aber voll gut fand.
Am Vormittag brachen wir dann zurück nach Shashemene auf, eine Fahrt, auf der mich nicht nur wieder die Landschaft faszinierte, sondern auch ein Schild, in dem die Eltern gebeten wurden, doch bitte ihre Kinder einzutragen und registrieren zu lassen, damit ihnen auch ihre Rechte zugestanden werden können.
In Shashemene trennten wir uns von Daviah und fuhren weiter nach Ziway mit seinem See. Als wir ankamen, suchten wir erst einmal die Bank auf, um zu versuchen, meine Euro zu wechseln. Ich hatte glück – mein Universitätsausweis wurde akzeptiert. Das aufgedruckte Datum für die Gültigkeit des Ausweises (noch dazu seit einem Semester längst abgelaufen) wurde als Ausweisnummer notiert. Mein 50-Euro-Schein durch die Geldmaschine laufen gelassen, wobei er immer zu einem Piepsen führte. Bankangestellte, die erst mal ein paar Minuten einen Farenji bestaunen mussten, bevor sie mit der Arbeit fortfahren konnten. Endlich bekam ich doch mein Geld gewechselt und wir konnten uns ein Hotel suchen. Das war auch echt ganz nett – in einem schönen Garten gelegen und ein nettes, sauberes Zimmer. Auch wenn das Warmwasser bei der Dusche nicht funktionierte (beim Waschbecken aber schon!) und die Türen mal wieder nicht wirklich schließen wollten. Dafür gabs ein Moskitonetz. Wir machten noch einen Spaziergang zum See. Fantastische Vögel in unglaublichen Schillerfarben. Papayabäume. Pferdewagen. Hunde, die ein totes Pferd fraßen. Ein toter Hund, der aufgebläht im Straßengraben lag. Fischskelette überall. Also: überhaupt überall Aas, aber trotzdem wirklich schön!
Irgendwann am See war dann auch meine Kamera weg. Was mich ziemlich anging. Mehr sogar noch wegen der wirklich tollen Bilder als der Kamera an sich und mir ist auch nach wie vor nicht klar, wie das passieren konnte, ob ich sie wirklich liegengelassen habe und sie dann gleich weggenommen wurde (denn es können nur wenige Minuten gewesen sein) oder richtig geflaucht (obwohl uns eigentlich niemand nahe gekommen ist). Lauthalses Schimpfen und Beschuldigungen sparte ich mir, dafür versuchte ich, das ganze noch irgendwie Positiv zu sehen und musste dabei feststellen und eingestehen, dass meine Überlegungen ziemlich hart waren:
Die Kamera war auch schon ein paar Jahre alt, ich hatte mir schon überlegt, eine neue zu kaufen, was ich aber noch nicht wollte, weil die alte ja doch noch gut funktionierte
Der Akku war mehr oder weniger leer. Der Flaucher hat weder mein Ladegerät noch den Anschluss für den Computer, die beide speziell für das Modell sind à Er kann also eigentlich mit der Kamera gar nichts anfangen (Schadenfreude).
(und komischerweise ist das fast der größte Trost, was mich allerdings hinsichtlich meines Charakters leicht erschreckt) Der Triumph darüber, zu wissen, dass ich – ätsch – dafür länger leben werde und nicht nur die höhere Lebenserwartung habe, sondern auch ein wesentlich erfolgreicheres Dasein führe.

Samstag
Ich hatte echt gut geschlafen, das Hotel lag sehr ruhig. Mein Bauch juckte noch immer von den Flohbissen, die mich schon gestern geplagt hatten. Wir checkten aus und suchten uns in der Nähe der Bushaltestelle ein Cafe, um dort zu frühstücken: Kuchen, Kaffee und danach noch einen Fruitjuice. Es war warm, eigentlich fast heiß und super schön sonnig.
Wir fanden einen Bus, der Richtung Addis fuhr und uns in Debre Zeyit aussteigen lassen würde. Ein normaler Bus. Und der brauchte ewig, bis er alle Fahrgäste beisammen hatte und voll war. So fuhren wir eineinhalb Stunden im Ort auf und ab und da die Sitzreihen schief waren und ich auf der Gangseite saß, rutschte ich immer fast hinunter. Was sich besserte, als der Busvoll war und noch einige Leute auf Holzhockern am Gang saßen. Dieses Gequetsche drücke mich auf meinen Platz zurück.
Wieder war ich froh um meinen MP3-Player. Auch jetzt wieder atemberaubende Landschaft. Am Straßenrand ein umgekippter Lastwagen. Im Umkreis liegen tausende von Tomaten, die er geladen hatte. Welch ein Farbkontrast zur sonst überwiegenden Komplementärfarbe Grün! Immer wieder Fahrzeuge mit Pannen am Straßenrand. Oftmals kein Wunder bei den Kisten, die da unterwegs sind. Und natürlich Tierkadaver, die schon einfach irgendwie dazugehören und immer eine Ästhetik des Grauens ausüben.
In Debre Zeyit suchen wir ein Hotel am Lake Bishoftu auf, was eine Weile braucht, bis wir es gefunden haben (weil wir 1x schon um 20 m vorbeigelaufen sind, weil ja auch nix angeschrieben ist!). Wir essen dort, haben einen Blick auf den See, der im Krater unter uns liegt, und gehen nach dem Essen die Straße entlang, in der wir unvermutet auf einige Prunkbauten stoßen, bevor wir plötzlich richtig am Kraterrand stehen und auf den See hinuntersehen, jedoch nicht hinuntersteigen wagen (zu steil) und uns dann schnell aus dem Staub machen, da die Kinder schon wieder beabsichtigen, ihre Mannschaftsstärke zur Belagerung zu vervielfachen. Die Rückfahrt verläuft problemlos. Zurück in Addis holen wir noch schnell ein paar Sachen zum Essen und dann nix wie heim, unter die Dusche, Abendessen und ins Bett.

Sonntag
Gibts eigentlich nix großartiges zu berichten. War mehr zum relaxen da, bzw habe ich die Zeit sogar sinnvoll genützt und eine Arbeit für die Uni fertiggeschrieben und eine weitere angefangen bzw halbfertig gebracht :-)
Und früh ins Bett!

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